Marc Chagall malt «Ich und das Dorf» 1911 in Paris. Ein Jahr zuvor hat er seine Heimat Russland dank eines Stipendiums verlassen. Das Dorf ist Witebsk, wo der Künstler als erstes von neun Kindern in einer armen jüdischen Familie aufgewachsen ist. Der 24-Jährige hält mit nostalgischem Blick die einfache, ländliche Welt fest, die er hinter sich gelassen hat. Das Heimweh plagt ihn, Paris ist ein regelrechter Kulturschock für ihn.

Kubismus, Fauvismus, die ganze Avantgarde stürzt auf Chagall ein. Er setzt sich zwar mit diesen Strömungen auseinander, geht aber seinen eigenen Weg. Formal ist «Ich und das Dorf» vom Kubismus inspiriert, dessen theoretischer Hintergrund interessiert den Gefühlsmenschen Chagall jedoch nicht. Für ihn ist Kunst vor allem ein Seelenzustand. Er malt zeit seines Lebens gegenständlich. Das Gemälde ist aus runden Formen aufgebaut: Damit will Chagall das Zyklische des Dorflebens verbildlichen und den zeitlichen Abstand zwischen dem jungen Maler in Paris und der fernen Heimat deutlich machen.

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